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"Sport ist eine ganz essenzielle Lebensschule"

15.05.2006

Silke Kraushaar nahm im Rahmen der Ausstellung "Why not" in Würzburg an einer Podiumsdiskussion teil. Thema: “Sieg und Niederlage - Was kann Deutschland vom Spitzensport lernen?"

Hätten die fünf Gäste auf dem Podium all ihre errungenen Medaillen und Pokale mitgebracht, die Bühne im Würzburger Cinemaxx hätte am Mittwoch vor lauter Gold nur so gestrahlt. Im Rahmen der Ausstellung "Why Not!" diskutierten die Olympiasiegerinnen Ulrike Nasse-Meyfarth, Anja Fichtel und Silke Kraushaar, der ehemalige Fußball-Profi Olaf Bodden und der neue Geschäftsführer der Deutschen Sporthilfe Michael Ilgner auf Einladung der Mediengruppe Main-Post über Sieg und Niederlage. Zentrale Frage: "Was kann Deutschland vom Spitzensport lernen?"

Silke Kraushaar über Sportschulen und Kaderschmieden der DDR:
"Es war ein hartes System, in dem stark selektiert worden ist. Mir hat die Schule unheimlich gut getan, sie war gut für die ganze Entwicklung. Die Förderung in der Jugend ist sicher ein Grund, dass Silke Otto und ich so lange an der Weltspitze fahren."

Anja Fichtel über ihre großen Siege:
"Ich war bestimmt nicht die Talentierteste, aber ich war die mit dem stärksten Willen. Ich kannte keine Angst, sondern habe mich einfach auf das Wesentliche konzentriert. Auch wenn ich 1 zu 7 zurücklag."

Anja Fichtel über den sportlichen Ehrgeiz der Kinder von heute:
"Die Kinder können heute zig Sportarten betreiben. Bei uns gab es eine Entscheidung für einen Sport, es gab zwei Fernsehprogramme, das war's dann. Unsere Kinder sind sehr weich geworden. Ich erschrecke, wenn ich im Training sehe, dass die Kinder schon Koordinationsprobleme haben und sich nicht richtig dehnen können. Schade, denn im Sport lernst Du so viel: Gemeinschaft, Fairness, mit Niederlagen umzugehen."

Ulrike Nasse-Meyfahrt zum selben Thema - Sport in der Jugend heute:
"Es ist heute schwieriger denn je, dem Leistungssport treu zu bleiben. Es gibt ein riesiges Angebot an Freizeitmöglichkeiten, und die Kinder machen am liebsten alles ein bisschen, nichts richtig. Es gehört eine gewisse Leidenschaft dazu, ein Ziel zu verfolgen. Die vermisse ich heute. Wir Eltern wissen alle nicht richtig, wie wir den Kindern beibringen können, sich kurzfristige Ziele und dann auch langfristige zu setzen."

Ulrike Nasse-Meyfahrt über ihren Olympiasieg 1972 und Niederlagen:
"Es ist schwieriger, überraschende Erfolge zu verarbeiten, als wenn man bewusst auf den Erfolg hin gearbeitet hat. Man muss Geduld haben und darf den Mut nicht verlieren. Nach Niederlagen muss man knallhart analysieren, die Fehler bei sich suchen."

Michael Ilgner über Erfahrungen:
"Ich bin sicher, dass meine beruflichen Erfolge auch auf Erfahrungen im Sport begründet sind. Sport ist eine ganz essenzielle Lebensschule. Man lernt Niederlagen schneller zu verarbeiten, denn im Sport muss man akzeptieren, wenn man verliert."

Olaf Bodden über das chronische Erschöpfungssyndrom und Karriereende:
"Das ist nur eine halbe Karriere. Man muss das Schicksal annehmen. Heute habe ich eine ganz andere Wertigkeit fürs Leben: Ob Deutschland Weltmeister wird oder nicht, ist für mich persönlich nicht das Entscheidende."

Silke Kraushaar zu Parallelen zwischen Sport und Berufsleben:
"Die Fertigkeiten, die wir erlernen, sind unheimlich wichtig fürs spätere Leben. Man hat als Sportler einen unwahrscheinlichen Ehrgeiz und Willen. Und durchbeißen muss man sich überall."

Olaf BODDEN über junge Spieler aus dem Ausland:
"Junge Spieler aus dem Ausland bringen die gleiche Leistung für weniger Geld. Und sie sind leistungsbereiter. Die jungen deutschen Spieler werden von den Spielerberatern verrückt gemacht und wollen schon viel zu viel Geld. Wer nur ein bisschen gerade aus laufen kann, verdient heute ein Schweinegeld. Was im Fußball gezahlt wird, ist nicht mehr normal."

Michael Ilgner über internationale Konkurrenz:
"In manchen Sportarten sind wir nicht mehr konkurrenzfähig. Aber Sportler aus anderen Ländern in die Nationalelf zu holen - das ist auf Dauer nicht die richtige Strategie. Wenn man den Erfolg nicht aus eigenem Potenzial aufbaut, hat man langfristig international keine Chance."


Quelle: Mainpost, 11.05.2006


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