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"Ich muss nicht Weltmeisterin werden"

30.07.2007

Silke Kraushaar-Pielach im ganz persönlichen Interview mit der Zeitung "Freies Wort".

Die Rennrodlerin über ihre allerletzte Saison, die allerletzte WM und die allerersten Pläne für die Zeit nach der sportlichen Karriere

OBERHOF – Es wird ihre definitiv letzte Saison werden. Demzufolge wird es auch die letzte Weltmeisterschaft sein, an der sie teilnimmt. Silke Kraushaar-Pielach, Olympiasiegerin und Weltmeisterin, hat schon alles erreicht, was es in ihrem Sport zu erreichen gibt. Und dennoch sieht sie einem ganz besonderen Winter entgegen. Wir sprachen mit der 36-Jährigen.

Wie geht es Ihrer Hand nach der Operation?
S. Kraushaar-Pielach: Ich bin zufrieden. Der Startlehrgang, den wir mit der Nationalmannchaft zuletzt in Berchtesgaden absolviert haben, war noch einmal ein Knackpunkt, ob die operierte rechte Hand den Belastungen standhält. Sie ist noch nicht wieder ganz so stark wie die linke. Diese Unterschiede endgültig auszugleichen, ist das Ziel für die zweite Trainingsphase nach dem Urlaub. Durch die OP konnte ich erst im Mai ins Training einsteigen, also zehn Wochen später als sonst.

Können Sie einem Laien mal erklären, was genau an der Hand gemacht wurde?
S. Kraushaar-Pielach: Ich hatte ein sogenanntes Karpaltunnel-Syndrom. Die Nerven in meinen Fingern waren quasi plattgedrückt. Ich hatte Aussetzer, die Befehle der Nerven kamen sozusagen nicht in den Fingern an. Die Nervenbändchen wurden aufgeschnitten und wieder sensibilisiert. Außerdem wurde eine chronische Handgelenksentzündung an der Elle festgestellt. Die hat mir vor allem beim Start, bei den Pinguinschlägen, Schmerzen bereitet. Diese Probleme hatte ich schon seit letzten August. Ich dachte aber, es ist nicht so gravierend, und außerdem wäre es für eine OP vor der Saison auch zu spät gewesen.

Kamen daher die Patzer in der letzten Saison, vor allem jener bei der WM, der schließlich Gold kostete?
S. Kraushaar-Pielach: Ja.

Warum haben Sie das Problem erst nach dem Winter öffentlich gemacht? Die Leute hätten ja denken können, Silke Kraushaar-Pielach hat plötzlich das Rodeln verlernt, wo Sie doch eigentlich eine exzellente Starterin sind?
S. Kraushaar-Pielach: Ich denke, man hat gesehen, dass es keine Fehler von mir waren, die zu den Rückständen geführt haben. Die Hand ist weggerutscht, ich hatte keine Kontrolle darüber. Ich wollte nicht ständig danach gefragt werden. Und ich muss zugeben, das ich gehofft habe, es geht bis zum Saisonende.

Gerade am Start so unfreiwillig zurückstecken zu müssen, stelle ich mir schwierig vor.
S. Kraushaar-Pielach: Ist es auch. Das kann ich mal an einem Beispiel erklären. In Sigulda habe ich am Start nur etwa 60 Prozent gegeben und dort schon drei, vier Hundertstel verloren. Die Bahn ist technisch sehr anspruchsvoll und setzt viel Erfahrung voraus. Nur durch fahrerisches Können konnte ich wieder aufholen und habe doch noch knapp gewonnen. Auf Gleiterbahnen hätte ich mir das nicht erlauben können.

Wie können Sie die Trainingsrückstände bis zum Saisonstart im Oktober wieder aufholen?
S. Kraushaar-Pielach: Nach meinem Urlaub muss ich extreme Umfänge fahren. Zum Glück habe ich mir über die Jahre hinweg ein hohes Niveau erarbeitet. Trotzdem wartet noch ein hartes Stück Arbeit auf mich, denn man wird ja auch nicht jünger. Voraussetzung ist aber, dass die Hand hält.

Wie sieht Ihr Urlaub aus?
S. Kraushaar-Pielach: Da mein Mann viele berufliche Termine hat, fliegen wir in diesem Jahr nicht in die Sonne. Ich bin also zu Hause in Sonneberg und genieße das auch, denn das kommt ja sonst nicht so oft vor.

Nach dem Winter 2007/08 ist Schluss, haben Sie erklärt. Kribbelt’s schon?
S. Kraushaar-Pielach: Bis jetzt – toi, toi, toi – habe ich noch gar nicht so sehr darüber nachgedacht. Durch meine Ausbildung, die ich jetzt abgeschlossen habe, war ich gut abgelenkt. Außerdem braucht die operierte Hand jeden Tag Physiotherapie, manchmal sogar zweimal. Wenn die Saison erst einmal losgeht, werden sicher solche Gedanken aufkommen, wie: ‚Auf dieser Bahn fährst du jetzt deinen allerletzten Weltcup‘.

Ihre letzte Weltmeisterschaft wird ausgerechnet in Oberhof und sicher mit einem gehörigen Erwartungsdruck verbunden sein. Ist das ein Vorteil oder doch eher ein Nachteil?
S. Kraushaar-Pielach: Einen Heimvorteil gibt es nicht. Die Rennen zu Hause sind immer die schwersten. Natürlich auch deshalb, weil man von sich selbst viel erwartet. Alle werden an der Bahn sein: Freunde, Familie, viele Fans oder der Faschingsklub aus Sonneberg, in dem ich Mitglied bin. Druck entsteht also ganz automatisch. Bei Rennen im Ausland hat man dieses Umfeld ja nicht. Bei einer WM wollen alle das ganz große Ding reißen, und es ist ja bekannt, das gerade im deutschen Team die Konkurrenz schon enorm ist. Natürlich würde ich gern ganz oben stehen, das ist doch klar. Aber das Ziel sollte sein, auf dem Podest zu stehen.

Sie müssen also nicht Weltmeisterin werden?
S. Kraushaar-Pielach: Nein. Wenn man etwas muss, dann geht es in die Hose. Der Druck wird wie gesagt schon groß genug sein, da muss ich mir nicht noch mehr machen. Ich habe ja schon alles gewonnen.

Dennoch werden Sie wieder als Favoritin in die Saison gehen. Das wird sich nicht leugnen lassen.
S. Kraushaar-Pielach: Nein, das kann man nicht wegdiskutieren, und das will ich auch nicht. Im letzten Winter habe ich sieben von neun Weltcups gewonnen. Besser hätte es fast nicht laufen können. Mit der Favoritenrolle leben wir seit Jahren. Ich kann damit umgehen.

Was erwarten Sie von der WM in Oberhof, auch was das Umfeld angeht?
S. Kraushaar-Pielach: Oberhof wird eine Spitzen-WM ausrichten. Man hat ja gesehen, was hier schon bei den Weltcups los war. Bei der WM wird alles noch viel größer und schöner.

Wer könnte denn Ihre sportliche Nachfolgerin werden?
S. Kraushaar-Pielach: Da kommen mehrere in Frage. Tatjana Hüfner fährt ja schon drei Jahre im A-Weltcup. Natalie Geisenberger und Corinna Martini sind sicher die Namen, mit denen man dahinter rechnen muss. An einen kompletten Durchmarsch einer Fahrerin glaube ich aber nicht. Diese drei werden sich auf absehbare Zeit sicher einen spannenden Kampf bieten.

Viele Wintersportler veranstalten nach Karriereende sogenannte Abschiedsrennen. Haben Sie auch schon etwas geplant?
S. Kraushaar-Pielach: Noch nichts Konkretes. Aber wir werden sicher was organisieren, da wird sich meine Agentur was einfallen lassen.

Nach Ihrer Ausbildung zur Sport- und Fitnesskauffrau wollten Sie im Sonneberger SonneBad einsteigen. Gilt das nach wie vor?
S. Kraushaar-Pielach: Mir wurde vorbehalten, zu jeder Zeit dort anfangen zu können. Als nächstes planen mein Mann und ich aber eine Familie.

Wieviel Kinder sollen es denn sein?
S. Kraushaar-Pielach: Ich wollte immer zwei haben. Aber erst mal eins, dann sehen wir weiter. Ich werde ja auch schon 37. INTERVIEW: CLAUDIA FEHSE

Quelle: Freies Wort vom 26. Juli 2007


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