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Quelle: Deutsche Sport-Marketing
"Für mich tickt die Uhr jetzt kurzfristiger"

16.11.2006

Silke Kraushaar-Pielach im Interview über neue Ziele, ihren "olympischen Abschied" und Potenziale im Rodelsport.


In der vergangenen Saison hast du den Gesamt-Weltcupsieg und die Silbermedaille bei den Olympischen Spielen in Turin geholt. Wie sehen die Ziele der neuen, nicht-olympischen Wettkampfzeit aus?

Es stehen in dieser Saison zwar keine Olympischen Spiele an, dennoch gibt es auch im kommenden Weltcup wieder einige Herausforderungen zu bewältigen. Dazu gehört sicher die Weltmeisterschaft in Igls im Februar 2007, auf der ganz klar mein Fokus liegt. Dort möchte ich sehr gerne aufs Treppchen rodeln. Dasselbe gilt für den Weltcup: am besten alle Rennen mitfahren und wenn möglich weit vorne landen. Bei der starken Konkurrenz, vor allem aus dem eigenen Land, muss man das erstmal schaffen…


Ihr seid Ende April schon wieder in die Vorbereitung eingestiegen, Weltcup-Auftakt ist Mitte November. Dazwischen liegt über ein halbes Jahr Training. Wie hält man da die Spannung hoch?

Das Programm ist so ausgerichtet, dass die Form Schritt für Schritt bis zum Weltcup-Beginn gesteigert wird. Ende April haben wir mit Aufbautraining begonnen – da schaffen wir die Grundlagen in Kraft, Ausdauer und Schnelligkeit. In der Folge werden die Einheiten dann immer spezifischer. Zum Athletik-Training kommen das Technik-Training und das Tüfteln am Material, das in unserem Sport ja eine große Rolle spielt.


Im Rodeln können kleinste Modifikationen in Training und Technik den Unterschied ausmachen. Hast du gegenüber dem vergangenen Jahr Abläufe oder Elemente in deinem Vorbereitungsplan verändert?

Nein, im Allgemeinen nicht. Ich war jahrelang mit meiner Konzeption des Trainings erfolgreich, warum sollte ich dann grundlegende Dinge verändern. Das heißt aber nicht, dass nicht mal andere Reize oder punktuell andere Schwerpunkte gesetzt werden. Es ist ja auch so, dass das Programm nicht in jeder Saison gleich gestaltet ist – das gilt vor allem hinsichtlich der Intensität. Wir Rodler trainieren in einem Vierjahres-Zyklus mit dem Ziel und dem Höhepunkt „Olympische Spiele“. In den Wettkampfserien heißt die Devise bis dorthin: sich jede Saison ein wenig steigern, im Training wie im Rennen.


In den vergangenen Monaten hat es dich beim Training immer wieder in der Schulter gezwickt. Bist du jetzt schmerzfrei?

Sagen wir mal so: Die Schulter, an der ich auch schon operiert wurde, behindert mich nicht direkt. Wir haben das Problem mittlerweile ganz gut im Griff. Allerdings konnte ich das Athletik-Training nicht in dem Unfang durchziehen, wie ich es mir gewünscht hätte. Das macht sich natürlich insbesondere beim Start bemerkbar. Die letzten Fahrten durch den Eiskanal liefen aber ganz gut, daher bin ich optimistisch, dass ich in der Saison voll angreifen kann. Dazu absolviere ich fleißig meine physiotherapeutischen Übungen und halte meine Nackenmuskulatur mit Massagen locker.


Du bist jetzt seit 23 Jahren im Rodel-Zirkus dabei – fast ein viertel Jahrhundert. Wie motivierst du dich jede Saison aufs Neue?

Da gibt es viele Ansatzpunkte: Zu Beginn der Karriere war mein Ziel, in die Weltcup-Mannschaft zu kommen, mich dort zu beweisen und zu etablieren. Besonders bei uns ist die teaminterne Konkurrenz aufgrund der hohen Leistungsdichte seit jeher groß – auch ein Aspekt, der immer wieder Ansporn liefert, besser als die anderen zu sein. Dann natürlich der Traum, Olympische Spiele mitzuerleben und dort auf dem Podest zu stehen. Und der beste Grund, warum ich mich jedes Jahr wieder auf den Schlitten schwinge, ist: Es macht mir einfach immer noch riesigen Spaß, mit Hochgeschwindigkeit die Bahn herunterzufahren. Oft sind es wie im Leben die „kleinen Siege“, etwa eine optimal getroffene Linie in einer schwierigen Kurve, über die ich mich dabei freuen kann.


Schon vor den Olympischen Spielen in Turin stand für dich fest: Es wird dein letzter Auftritt bei einem winterlichen Ringe-Event sein. Mit welchen Gefühlen hast du den Schauplatz im Februar verlassen?

In diesem Moment war mir diese Tatsache gar nicht gewusst. Wir waren recht früh mit unseren Wettbewerben fertig, ich hatte eine Silbermedaille gewonnen und konnte die restlichen Spiele in Italien entspannt genießen. Voraussichtlich realisiere ich den „olympischen Abschied“ vor allem in den Momenten, wenn sich der Fokus intern und auch in der Öffentlichkeit auf Vancouver 2010 richtet. Für mich tickt die Uhr jetzt eben ein bisschen anders, eben kurzfristiger. Mein Ziel ist die Heim-WM 2008 in Oberhof – für dieses werde ich ebenso hart arbeiten wie für die Olympischen Spiele.


Das klingt nach Zufriedenheit auf der einen, und nach Hunger auf mehr auf der anderen Seite…

So ist es. Ich habe an drei Olympischen Spielen teilgenommen und drei verschiedene Medaillen gewonnen – das hat noch keine Rodlerin vor mir geschafft. Darauf bin ich sehr stolz und daher kann ich die olympische Bühne mit einem Lächeln verlassen. Aber auch die letzten Meter in meiner Weltcup-Karriere will ich erfolgreich gehen. Mich auf den olympischen Medaillen und anderen Titeln auszuruhen ist daher tabu…


Als erfahrene Athletin hast du einen guten Überblick über die Entwicklung des Rodelsports in den vergangenen Jahren. Deine Einschätzung?

Im Vergleich zu anderen Sportarten bleiben wir hinsichtlich der Ausstrahlung noch immer zurück. Immerhin haben die Rodel-Events ihren festen Platz in den Wintersport-Übertragungen der Öffentlich-Rechtlichen und Eurosport. Auch die Präsentation der Sportart im TV hat sich enorm verbessert: Es gibt Kamera-Fahrten, Animationen, Experten geben Auskunft über Bahn-Charakteristika und technische Details am Schlitten.


Wo hat der Rodelsport noch Potenzial?

Ein Beispiel stellt der Mannschaftswettbewerb dar, aus meiner Sicht eine attraktive Disziplin, die aber nicht olympisch ist, Das beeinflusst deren Stellenwert, was ich schade finde. In gewisser Hinsicht sind uns Rodlern sicher die Hände gebunden: Wir haben keinen Sprint und keine Verfolgung wie die Biathleten. Die fehlende Variabilität in der Wettkampfgestaltung muss durch Aspekte wie zum Beispiel eine ansprechendere Präsentation kompensiert werden, die die Faszination der Sportart deutlich macht.


Von der Rodelbahn auf die Bühne. Du bist bei der Wahl zur Thüringer Sportlerin des Jahres 2006 auf den zweiten Platz gewählt geworden. Bei der Konkurrenz im Bundesland ein Erfolg, oder?

Auf jeden Fall. Ich wusste es vorher nicht und war ehrlich überrascht, direkt hinter Kati Wilhelm zu landen. Gerade in einem olympischen Jahr, in dem die Thüringer Athleten so zahlreich Medaillen geholt haben, bin ich auf die Auszeichnung und die Anerkennung bei den Medienvertretern besonders stolz. Es ist ein schönes Gefühl zu wissen, dass meine Leistungen so honoriert werden.


Aufmerksamen Beobachtern der Rodel-Szene wird eines nicht entgangen sein: Du gehst in der neuen Saison mit einem „erweiterten Namen“ an den Start.

Stimmt. Mein Lebensgefährte Michael Pielach und ich haben im Juli in Sonneberg geheiratet, daher der Doppelname. Es war ein wunderbares Fest im Kreis der Familie mit einer klassischen Torte und einem tollen Mitternachts-Feuerwerk – ein unvergesslicher Tag.


Blieb Zeit für eine Hochzeitsreise oder fiel sie dem Training zum Opfer?

Es war schon ein harter Cut: Kurz nach der Hochzeit musste ich gleich eine Woche zum Lehrgang. Aber danach haben wir uns zehn Tage in Dubai gegönnt – eine beeindruckende Stadt, allerdings haben uns die Hitze und die hohe Luftfeuchtigkeit dort zu schaffen gemacht. Nach einer Wintersaison fahre ich schon gerne in den Süden, weil ich Sonne und Meer liebe, aber Dubai ist nochmal eine andere Liga…


Gab es außer der Hochzeit und der Urlaubsreise noch weitere Aktivitäten, die deinen Sommer geprägt haben?

Ja, auf jeden Fall mein Auftritt im Rahmen der Eröffnung der Special Olympics in Berlin. Ich durfte auf Einladung von S.Oliver die Spiele der geistig oder mehrfach behinderten Athleten mit Schwimmerin Anni Wagner eröffnen. In meiner langen Laufbahn habe ich noch nie bei einem Einmarsch für Deutschland oder Thüringen voran gehen dürfen und war fast sprachlos, wie stimmungsvoll und emotional es hier zugeht.


Beim Personality-Fotoshooting für die neue Saison sind tolle Motive von dir entstanden. Wie siehst du dich am liebsten?

So unterschiedlich wie auf den Fotos. Ich finde es toll, optisch in verschiedene Rollen zu schlüpfen und damit zu spielen: mal sportlich, mal elegant, mal Business – jede Serie hat ihren speziellen Reiz. Ich konnte beim Blick in den Spiegel nur staunen, was ein schönes Make-up, ein modisches Outfit und natürlich ein guter Fotograf aus einem herausholen können.


Auftritte vor der Kamera, auch außerhalb des sportlichen Geschehens, sind für dich nichts Ungewöhnliches mehr. Hier ein Besuch beim ARD-Buffet, da ein Porträt im MDR. Bist du ein Show-Mensch?

Ein Show-Mensch vielleicht nicht. Eher jemand, der keinerlei Probleme hat, vor der Kamera offen und natürlich zu sein. Solche Auftritte sind für mich eine willkommene Abwechslung vom Trainingsalltag, die ich gerne wahrnehme. Zum anderen sehe ich es als Chance, die mediale Plattform als „Botschafterin des Rodelsports“ zu nutzen und Publikum für die Disziplin zu begeistern.


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