News
Der Bau eines Schlittens ist Vertrauenssache

14.10.2005

Derzeit sitzt die 35-Jährige Thüringerin häufig mit ihrem Trainer Bernhard Glass und Technikern vom FES (Institut für Forschung und Entwicklung von Sportgeräten) zusam­men. Grund: Das Team um Silke Kraushaar tüftelt an neuen Einstellungen und mit neuen Materialien. Schließlich soll der neue Rennschlitten die Sonnebergerin in der kommenden Saison möglichst schnell durch den Eiskanal ins Ziel tragen. Vom ersten Bauteil bis zum abschließenden Kufenschliff ist es aber ein langer Weg …

Du bastelst gerade an deinem Rennschlitten – wie muss man sich das vorstellen?
Was viele nicht wissen ist, dass die Sitzschale maßgeschneidert, das heißt an die Form des Körpers angepasst, ist. Deshalb steckt auch ziemlich viel Individualität in so einem Schlitten. Je besser er auf die Person abgestimmt, die ihn lenkt, desto größer sind die Erfolgschancen. Wir arbeiten deshalb daran, die Möglichkeiten im Rahmen des Reglements voll auszureizen und gleichzeitig einen optimal passenden Schlitten zu fertigen. Dazu gehören neben der Sitzschale natürlich auch die anderen Teile des Gefährts wie die Kufen, Stahlschienen, usw.

Wie sehr bist du durch die Reglementierungen beim Experimentieren eingeschränkt?
Es gibt zahlreiche Auflagen, die die Möglichkeiten im technischen Bereich doch sehr begrenzen. Es gibt nur wenige Punkte, an denen man ausprobieren kann. In Bezug auf das Gewicht der Schlitten haben wir beispielsweise einen Spielraum von 4 kg: 21 kg sind das Minimum, 25 kg das Maximum. Um mehr Last in den Schlitten und damit mehr Geschwindigkeit auf die Bahn zu bringen, hat man die Möglichkeit, zusätzlich Blei am Körper oder am Schlitten zu befestigen. Weil die Ausgangssituation nahezu identisch für alle Athleten ist, sind es oft Bruchteile von Sekunden, die über Sieg oder Niederlage entscheiden. Die aus einem Schlitten herauszuholen, ist unser Ziel.

Du beschäftigst dich intensiv mit dem Bau des Schlittens. Bringt es Vorteile, wenn Athleten sich mit der Konstruktion des Geräts auskennen?
Ich denke schon, denn es ist enorm hilfreich für die Mechaniker, wenn der Sportler Hinweise auf Fahreigenschaften des Schlittens geben kann. Natürlich ist dieses „Tüfteln“ bei den männlichen Kollegen noch ausgeprägter. Dennoch finde ich es wichtig – auch als Athletin – Kenntnisse über das Gerät zu besitzen, auf dem man mit Hochgeschwindigkeit durch den Eiskanal fährt. Schließlich ist der Bau eines Schlittens eine Art Vertrauenssache.

Vertrauen musst du auch den Mechanikern, die den Schlitten konstruieren. Wie eng arbeitet ihr zusammen?
Sehr eng, denn die Details müssen passen: Position und Abstand der Griffe, die Aerodynamik des Schlittens und alle anderen Feinheiten, die im Rennen soviel ausmachen können. Die Ergebnisse der Fahrten werden konsequent analysiert, zusammengetragen und gemeinsam besprochen. Das gibt mir die Sicherheit, bei den Rennen einen Schlitten zu fahren, der im Hinblick auf die Eigenschaften der Bahn und die äußeren Bedingungen optimiert ist.

Nicht unbedingt allen bekannt ist auch die Tatsache, dass die Athleten meist zwei oder mehr Schlitten besitzen. Wie ist das bei dir?
Ich habe drei Schlitten. Einen „alten“, mit dem ich in der Vergangenheit sehr erfolgreich gefahren bin und zwei zum Testen. Im Rodelsport ist es für einen Athleten wichtig, dass er sich in seinem Schlitten extrem wohlfühlt. Daher sollte man in einem schwierigen Rennen immer die Option haben, auf bekannt gutes Material zurückgreifen zu können. Außerdem gilt es, bei entsprechenden Wetterbedingungen oder wenn etwas defekt ist, auch schnell mit einem anderen Gerät zu reagieren – wie in der Formel 1.

Um die Konstruktion der Schlitten wird nach wie vor ein großes Geheimnis gemacht. Bei dir auch?
Was die Bauweise des Schlittens angeht, will sich keiner in die Karten schauen lassen – ich denke, dass trifft auf alle Athleten zu. Schließlich bewegen wir uns bezüglich der technischen Möglichkeiten bereits am Limit. Geringe Modifikationen können in diesem Bereich begehrte Millimeter bringen. Und nicht zuletzt ist die Konstruktion eines Schlittens das Ergebnis von lange aufgebauten Erfahrungswerten, die weder Athlet noch Mechaniker einfach so preisgeben. Es ist der große Reiz, durch ein kleines Detail besser als andere zu sein, der uns immer weiter nach neuen Methoden und Möglichkeiten suchen lässt.

Der Saisonauftakt im lettischen Sigulda steht unmittelbar bevor. Wie gut harmonieren Schlitten und Athletin zum jetzigen Zeitpunkt der Vorbereitung?
Ich bin zufrieden. Meine Werte verbessern sich ständig, deshalb kann ich ruhig und gelassen in die nächsten Lehrgänge gehen. Athletisch habe ich eine gute Form, jetzt muss ich diese Voraussetzungen nur noch aufs Eis bringen. Wenn das klappt bin ich zuversichtlich, dass ich und mein Schlitten in dieser Saison in der Weltspitze mitfahren zu können.


« zurück zur Übersicht