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"Für Wehmut war noch keine Zeit“

27.05.2008

Thüringens Rennrodler begannen jetzt mit der Vorbereitung auf die neue Saison. Eine schaut nur noch gelegentlich bei ihrer Oberhofer Trainingsgruppe vorbei: Silke Kraushaar-Pielach. Die Sonnebergerin, die sich bei Olympia mit Gold, Silber und Bronze schmücken konnte, Einzel-Weltmeisterin und dreifache Europameisterin war, drei Teamtitel bei der WM holte und fünfmal den Gesamtweltcup gewann, fuhr am 17. Februar in Sigulda ihr letztes großen Rennen.

Wann haben Sie denn das letzte Mal auf einen Schlitten gesessen?
Das war erst Mitte März, auf einem Doppelsitzer beim Gäste-Rodeln in Oberhof. Ich lag natürlich oben und habe gesteuert. Für Sponsoren machen wir so etwas häufiger.

Anfang, Mitte April beginnt für die Rodler immer die neue Saison. Befällt Sie jetzt nicht ein bisschen Wehmut?
Dafür hatte ich eigentlich bisher keine Zeit. Und solange ist der letzte Wettkampf ja auch nicht her.

Keine Zeit?
Ich habe in Leipzig mit einem Fernstudium als Fachwirt für Sport und Fitness begonnen. Eigentlich habe ich damit ja schon während meiner sportlichen Karriere angefangen, aber da war für's Studium nie richtig Zeit. Bis Dezember will ich es jetzt zu Ende bringen.

Wissen Sie schon, was Sie beruflich machen möchten?
So richtig entschieden habe ich mich noch nicht. Mir schwebt derzeit etwas mit Sport und Marketing vor. Aber, wer weiß, wie es ist, wenn ich etwas Abstand vom Sport gewinne. Nach 24 Jahren Leistungssport muss ich auch erst ein bisschen zu mir selbst finden.

Kürzlich konnte man Sie zur Eröffnung der Grillsaison auf dem Erfurter Domplatz sehen?
Ich bekomme einige solche Einladungen. Termine. Dienstag war ich in der Thüringer Staatskanzlei zu Gast, wo den Schulen auf sehr angenehme Art für ihr Rennrodel-WM-Projekt Dankeschön gesagt wurde. Solche Termine machen Spaß und sind keine Belastung für mich. 

Wie oft trifft man Sie denn noch in Oberhof?
Jetzt wieder etwas häufiger. Zum Fußballspielen mit meiner alten Trainingsgruppe. Oder zum Krafttraining. Ich muss ja abtrainieren.

Haben Sie dafür einen festen Plan?
Nein, so was gab's mal zu DDR-Zeiten. Ich lege das selbst fest. Drei Mal die Woche zwei Einheiten, ich denke, das sollte reichen. Bei uns ist es nicht so extrem wie bei Ausdauersportlern.


Sie haben alle Titel gewonnen, die man im Rodeln gewinnen kann. Ärgert Sie es ein klein wenig, dass Sie ihre Kontrahentin Sylke Otto bei der Anzahl der Weltcup-Siege nicht mehr überholten?Nein, denn das ist für mich nicht wichtig gewesen.

Wie wichtig waren Ihnen ihre fünf Gesamtweltcup-Siege?
Viel wichtiger. Sie sagen über das Leistungsvermögen in einer Saison mehr aus als ein einzelner Wettkampf. Da hängt der Sieg auch mal vom Wetter und der Startnummer ab.

Was war Ihr schönster Sieg?
Zu aller erst natürlich das olympische Gold 1998 in Nagano. Und mein Weltcup-Erfolg 1996 in Sigulda nach einer sehr langen Durststrecke, gleich im ersten Rennen, nachdem ich vier Jahre nicht zum deutschen Weltcup-Teamgehörte. Schön war auch der WM-Titel von Nagano, wo ich nach dem ersten Lauf nur auf Platz vier lag und dann alles riskiert habe.

Ihre größte Enttäuschung?
Ganz sicher die WM 2005, bei der ich als Siegerin disqualifiziert wurde, weil ein Gummiring am Schlitten einen Zentimeter von der vorgeschriebenen Stelle entfernt lag, was keine Hundertstel Vorteil bringt. Und eben die Jahre, in den mir der Sprung ins Weltcup-Team nicht gelang. Da habe ich ernsthaft ans Aufhören gedacht. Die Zeit hat mich aber auch stark gemacht.

Erinnern Sie sich auch an den kuriosesten Wettkampf?
In Igls sind wir 1992 vom Bobstart gefahren, da stand oben zentimeterhoch Schneematsch in der Bahn, so dass es unten statt Hundertstel und Zehntel Abstände von eins bis drei Sekunden gab. Mach' so viele Pinguinschläge, wie du nur kannst, damit du überhaupt in Fahrt kommst, hatte der Trainergeraten. Annulliert wurde der Wettkampf aber nicht.

Auf der neuen Olympiabahn von Vancouver fährt man 140 km/h und schneller. Wird das Risiko im Rennrodeln immer größer?
Nagano und Cesana sind ja auch nicht gerade langsam. Die Tendenz geht schon dahin, neue Bahnen so zu bauen, dass sie noch ein wenig schneller sind. Bei diesen Geschwindigkeiten ist es aber  nicht leicht, die Übersicht zu behalten. Irgendwo gibt es da sicher eine Grenze. Schlecht ist es vor allem für die schwächeren Nationen, deren Athleten oft stürzen. Ich allerdings fahre gern auf schnellen Bahnen. Vancouver hätte mich schon gereizt.

Sie können es sich ja noch einmal überlegen, schließlich sind dort in zwei Jahren Olympische Spiele?
Nee, das ist vorbei, Ich war drei Mal bei Olympia und habe jedes Mal eine Medaille geholt. Ich werde jetzt 38. Wenn mir einer vor 15 Jahren gesagt hätte, dass ich da noch rodle, hätte ich ihn gefragt, ob mit ihm noch alles in Ordnung ist. Letzte Saison hatte ich so viele Verletzungen wie nie. Nach so vielen Jahren sagt auch der Körper: Es reicht. In Oberhof hat alles angefangen und alles geendet. Und mit Erfolg aufzuhören, ist sehr schön.

Auf Ihrer Homepage kann man unter Hobbies Dekorieren lesen. Da meinen Sie jetzt aber nicht, dass Sie sich gern mit Medaillen dekorieren?
Nein, ich gestaltete zu Hause wirklich gern etwas anders. Mit Blumen zum Beispiel, farblich abgestimmt, zu festlichen Anlässen wie Weihnachten oder Ostern, aber auch sonst das macht mir schon viel Spaß.

Viele Bewunderer findet bei festlichen Anlässen auch Ihre Garderobe. Lieben Sie Abendkleider?
Ja. Aber auch sportlich-elegante Kleidung. Wenn man die meiste Zeit in Sportklamotten zugebracht hat, will man sich auch mal von einer andere Seite zeigen. Das mache ich gern. 

Wie lange hält die über zehnjährige Siegesserie der deutschen Rodlerinnen noch?
Darauf bin ich auch gespannt. Schließlich haben ja Sylke Otto und ich mit 37 bzw. 36 Weltcup-Siegen maßgeblich dazu beigetragen. Na ja, irgendwann reißt sowieso jede Serie.

Wie oft werden Sie jetzt eigentlich gefragt, was das Baby macht?
Sehr oft. Im Juli habe ich die ersten großen Prüfungen, also ganz so eilig habe ich es damit nicht. Aber es kommt, wie es kommt.

Das Gespräch führte: Jörg THARAN / Thüringer Allgemeine Zeitung, 26.04. 2008


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